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Eindrücke vom Fachtag „Spurensuche – Sinti und Roma in Mecklenburg-Vorpommern“ in Waren (Müritz)

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Veröffentlicht am: 6. März 2024
Beitrag aus dem Bereich: Aktuelles
Der Völkermord der Nationalsozialisten an den Sinti und Roma Deutschlands und Europas ist ein beispielloses Verbrechen und nahm auch in Mecklenburg-Vorpommern seinen Anfang. Die Geschichte der kontinuierlichen Ausgrenzung und Diskriminierung bis in die Nachkriegsjahre hinein ist bis heute kaum sichtbar und wird selten erzählt. Die Geschichte der Sinti*zze und Rom*nja in unserer Region ist aber auch eine Geschichte der jahrhundertelagen Nachbarschaft des Zusammenlebens und des Austauschs. Von dieser facettenreichen Geschichte erfuhren am 24. Februar 2024 Interessierte, Lehrkräfte und Multiplikator*innen der außerschulischen Bildung.

Der Völkermord der Nationalsozialisten an den Sinti und Roma Deutschlands und Europas nahm auch in Mecklenburg-Vorpommern seinen Anfang. Die Geschichte der kontinuierlichen Ausgrenzung und Diskriminierung bis in die Nachkriegsjahre hinein ist bis heute kaum sichtbar und wird selten erzählt. Die Geschichte der Sinti*zze und Rom*nja in unserer Region ist aber auch eine Geschichte der jahrhundertelangen Nachbarschaft des Zusammenlebens und des Austauschs. Von dieser facettenreichen Geschichte erfuhren am 24. Februar 2024 Interessierte, Lehrkräfte und Multiplikator*innen der außerschulischen Bildung.

Der Holocaust und seine Folgen für die Familien deutscher Sinti*zze: Ramona Sendlinger berichtet aus der Geschichte ihrer Familie

In einem eindrucksvollen Gespräch eröffnete die Sintiza Ramona Sendlinger, im Dialog mit ihrem Mann Harald Sendlinger, Einblicke in diese Geschichte und in die fatalen Auswirkungen auf das Leben ihrer Familienangehörigen nach dem Holocaust. Sie sprach über die dramatische Geschichte ihrer Familie um den Pferdehändler Albert Lutz, der seine Spuren unter anderem in Weitin und Anklam hinterließ. Sie berichtete von der Verfolgung und der Tötung der Kinder, Nichten, Neffen und Geschwister ihres Großvaters Albert Lutz im Holocaust (in der Sprache des Romani auch Porajmos genannt). Und sie berichtete von ihrer eigenen bewegenden Geschichte des Aufwachsens in einer dezimierten, verarmten Familie, die durch die Gewalt und die Verluste schwer traumatisiert wurde und die sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland jahrelang weiter Ausgrenzung und Diskriminierung erfuhr. Aber die Zuhörenden wurden auch Zeug*innen von Ramona Sendlingers ungeheurem Lebensmut, ihrem Kampfgeist und ihrem Humor: was sie alles bewerkstelligte, um diesen Verhältnissen zu entkommen, wie sie um ihre eigenen Kinder kämpfte, um ihnen eine Perspektive zu bieten, und nicht zuletzt, wie sie vor einigen Jahren in Harald Sendlinger, wie sie es nennt, die „Liebe meines Lebens“ fand.

Warum Aufklärung wichtig ist – Constanze Jaiser, Martin Müller-Butz und Natalja Jeske berichten über die historische Situation in MV

Nachdem Matthew Heidtmann, Studienleiter der Europäischen Akademie, auch im Namen des Stadtmuseums Waren (Müritz) und der RAA M-V alle Teilnehmenden begrüßt und der Landeszentrale für politische Bildung M-V für ihre finanzielle Unterstützung gedankt hatte, übergab er an Constanze Jaiser und Martin Müller-Butz von der Geschichtswerkstatt zeitlupe, die durch den Fachtag führten.

Gleich zu Beginn ordnete Constanze Jaiser die Geschichte nationalsozialistischen Genozids an den Sinti*zze und Rom*nja in die Geschichte der systematischen und kontinuierlichen Ausgrenzung ein und erläuterte, wie sich Sprache und der Gebrauch von selektiven und einseitigen Begriffen und Bildern hierdurch verändert haben.

Einen Ausblick in die wechselvolle Geschichte deutscher Sinti*zze in Stettin wagte ihre Kollege Martin Müller-Butz, der anhand des Schicksals der vertriebenen Sintiza Krimhilde Malinowski zeigte, dass auch Sinti*zze und Rom*nja das Schicksal der aus Stettin vertriebenen Deutschen teilten, aber bis heute kaum Würdigung in der Region finden.

Natalja Jeske, Historikerin und Autorin der Publikation „Biografien von Sinti und Roma in Mecklenburg-Vorpommern“ ordnete die Erzählungen von Ramona Sendlinger historisch ein und lieferte Einblicke in den aktuellen Stand der Forschungen zur Geschichte der Sinti*zze und Rom*nja in der Region und zu den besonderen Herausforderungen ihrer weiter fortdauernden Arbeit.

Forschung ist wichtig – Unterstützung auch: Iris Wachsmuth stellt die RAA-Fachstelle zur Unterstützung geflüchteter Rom*nja in MV vor

Der Fachtag endete mit einer Präsentation von Iris Wachsmuth, die seit kurzem, unter dem Dach der RAA M-V,  die Fachstelle zur Unterstützung geflüchteter Rom*nja in Mecklenburg-Vorpommern leitet. Sie rief dazu auf, Antiziganismus und Sinti und Roma-feindlichen Aussagen zu begegnen, indem diese gemeldet würden. Nur eine klischeefreie Auseinandersetzung könne dazu beitragen, ein Bewusstsein für Diskriminierungen und gegen Verharmlosung antiziganistischer Äußerungen zu schaffen und für die mehr als tausend geflüchteten Rom*nja aus der Ukraine in Mecklenburg-Vorpommern wirkungsvolle Unterstützung zu leisten.

Der Fachtag wurde begleitet von der Ausstellung „Als Nachbarn unerwünscht“ von Anna F.C. Pöschel, zusammen mit ihrer berührenden Graphic Novel über die Geschichte zweier Sinti-Kinder aus dem Raum Waren sowie einer eindrücklichen Kunstinstallation von Ramona Seyfarth. Diese in Kooperation mit der Jugendkunstschule „Junge Künste“ Neubrandenburg entstandenen künstlerischen Zugänge gehören zu den Aktivitäten der vergangenen Jahre, für die die RAA – Demokratie und Bildung M-V e. V. mit ihren beteiligten Partner*innen 2023 mit dem Landesintegrationspreis MV gewürdigt wurde und die im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus 2024 vom 11. bis 25. März 2024 in Anklam zu sehen sein werden.

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