Unter dem Titel „Gedenken an authentischen Orten“ fand am 6. November im Neubrandenburger Kino Latücht bereits zum vierten Mal ein Forum zur Zukunft der Stasi-Haftanstalt Neubrandenburg statt. Politik, Stadt, Wissenschaft und Zivilgesellschaft debattieren, wie das Erinnern an diesen Ort gemeinsam vorangebracht werden kann und inwiefern er als Gedenkort zumindest in Teilen erhalten werden muss.
Als besonderer Höhepunkt beleuchtete die Historikerin Fanny Le Bonhomme Chancen und Konflikte um leerstehende Haftgebäude in Europa am Beispiel des ehemaligen Gefängnisses im französischen Rennes. Sie ist Mitglied des Centre de recherche interdisciplinaire en historie, histoire de l’art et musicologie (CRIHAM) und Dozentin an der Universität Poitiers und beschäftigte sich u. a. mit der Geschichte der Psychiatrie in der Deutschen Demokratischen Republik und dabei auch mit Lebenswegen und Erfahrungen der Patient*innen. In ihrem Vortrag und in dem Podium erläuterte sie die partizipativen Prozesse in der Stadt Rennes und den erfolgreichen Versuchen, mit ganz unterschiedlichen Menschen hier den Zusammenhang zwischen dem Ort und einer wissenschaftlichen, aber trotzdem persönlichen Vermittlung herzustellen.
Auf dem Podium vertreten waren auch der Zeitzeuge Thoralf Maas, der als junger Mann die Stasi-Haftorte Neubrandenburg und Schwedt kennenlernen musste und der einen Verein für einen Gedenkort Lindenberg mitbegründet hat.
Peter Keup vertrat die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft /UOKG), dem Dachverband für fast vierzig Vereine und Initiativen der kommunistisch Verfolgten im vereinten Deutschland.
Constanze Jaiser war als Leiterin der seit acht Jahren bestehenden Geschichtswerkstatt zeitlupe, in Trägerschaft der RAA – Demokratie und Bildung Mecklenburg-Vorpommern, mit in der Runde vertreten.
Vertreter*innen der Gruppe ’89, denen es damals gelang, die komplette Vernichtung der Stasi-Aktenbestände auf dem Lindenberg zu verhindern, waren aus terminlichen Gründen leider verhindert.
Doch waren weitere Zeitzeugen, Opfer der Verfolgung durch die Staatsicherheit der DDR, und auch der Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Aufarbeitung der SED-Diktatur unter den diskutierenden Gästen.
Moderiert wurde das Forum von den beiden Hochschulprofessoren Dr.’in Júlia Wéber und Dr. Kai Brauer. Beide erläuterten auch die seit Anfang 2021 währenden Aktivitäten des Aktionsbündnisses in Neubrandenburg, zu dem auch die Außenstelle des Bundesarchivs, ehemals BStU-Außenstelle) unter Leitung von Michael Köllner sowie anfangs auch die Stadt Neubrandenburg (Bereich Kultur und Gedenkarbeit) gehörte.
Sowohl unter dem Dach der Fachhochschule Neubrandenburg als auch dem der RAA M-V wurden in den vergangenen Jahren Zeitzeugen interviewt und zahlreiche Forschungen vorangebracht.
Erstmals wurden öffentlich Aufnahmen der ehemaligen Stasi-Haftanstalt gezeigt. Die Hochschule Neubrandenburg und die Geschichtswerkstatt gewannen den Fotografen und Kameramann Carsten Büttner dafür, eine Auswahl seiner Fotografien in einer ersten Ausstellung zu präsentieren.
Die Veranstaltung wurde vom Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung der Fachhochschule Neubrandenburg organisiert, in Kooperation mit der Geschichtswerkstatt zeitlupe der RAA M-V und dem Verein Gedenkort Lindenberg.
Fotos: Carsten Büttner (smoltfilm.net)