Zunahme rechtsextremer Aktivitäten, latente Gewaltbereitschaft und Waffenbesitz in den Händen von Rechtsextremisten in Mecklenburg-Vorpommern: RAA M-V warnt vor eskalierender Radikalisierung
Insbesondere die zunehmende Radikalisierung Jugendlicher im digitalen Raum erfolgt aktuell kaum noch im Verborgenen – und zudem oftmals in erschreckend kurzer Zeit. Extremistische Akteure nutzen gezielt gesellschaftliche Verunsicherung und individuelle Krisen aus, um insbesondere Jugendliche für ihre Ideologien zu gewinnen, darauf verwies jüngst Innenminister Christian Pegel bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2024 für Mecklenburg-Vorpommern.
Aus dem Beratungsgeschehen können wir dies unterstreichen: „Radikalisierte Gruppen wie der „Aryan Circle“, das völkische „Jungadler“-Netzwerk, „Division Schwerin“ oder „Deutsche Jugend Voran“ versuchen relativ offen in Chatgruppen und via Sozialen Netzwerken Heranwachsende zu indoktrinieren.“, so Dr. Daniel Trepsdorf, Leiter des Regionalzentrums für demokratische Kultur der RAA M-V, „Nicht selten am Aufmerksamkeitsfokus von Freunden, Eltern, Pädagogen, Jugendsozialarbeitern oder Trainern vorbei.“
Die Kombination aus Rechtsextremismus-Faszination und Gewaltlatenz bildet hier einen hochtoxischen Zwei-Komponenten-Kleber, der den Einstellungshorizont der Jugendlichen verhärtet und diese kaum noch für eine zugewandte empathische, demokratieorientierte Ansprache aus ihrem sozialen Umfeld empfänglich macht. Themen, die die Heranwachsenden begeistern sind hingegen:
- die Ideologie der „weißen Vorherrschaft“ oder „völkischen Reinheit“,
- Gewaltverherrlichung, Kampfsport, paramilitärisches Auftreten,
- Einschüchterungs- und Gewaltfantasien gegenüber Vertreter:innen der queeren Community,
- die weitreichende Vernetzung über Chatgruppen, Musik- und Kampfsportevents,
- die Vorbereitung auf den so gen. Systemumsturz („Tag X“-Szenarien),
- oder aber auch die Nutzung verbotener oder historisch belasteter Symbole (z. B. die Triskele oder die Othala-Rune)
„Das Internet wirkt hier seit geraumer Zeit auch in MV als digitaler Brandbeschleuniger für Radikalisierung, wie uns auch aus den Schulen regelmäßig in Beratungsprozessen berichtet wird. Vom rassistischen Schimpfwort gegenüber Mitschülern bis zum Einstieg in ein rechtsextremes Jugendnetzwerke mit hoher Gewaltbereitschaft liegen nicht selten lediglich wenige Monate, wie der Fall der `Letzten Verteidigungswelle` in bestürzender Art und Weise zeigt.“, so Trepsdorf. Der aktuelle Verfassungsschutzbericht zählt derzeit rund 2.000 Personen in Mecklenburg-Vorpommern, die dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden – darunter eben auch zahlreiche Jugendliche und Heranwachsende. Die Entwicklung unterstreicht die Dringlichkeit präventiver wie repressiver Maßnahmen, um die Verbreitung von Waffen im Extremismusspektrum einzudämmen.
Der Leiter des Regionalzentrums für demokratische Kultur der RAA kritisiert zudem, dass rechtsextreme Jugendgruppen zunehmend ideologischen Rückhalt von politischen Akteuren wie der AfD erhalten.
Fakt ist hingegen: Rechtsextremismus und Gewalt sind in gewissen Jugendkulturen eng miteinander verknüpft, weil sie Jugendlichen oft scheinbare Lösungen für Unsicherheiten, Orientierungslosigkeit und Frustration bieten. Jugendliche in identitätsbildenden Phasen suchen nach Zugehörigkeit, Anerkennung und mitunter auch nach klaren Feindbildern, die Rechtsextremismus durch einfache Erklärungsmuster („wir gegen die anderen“) und gewaltaffine Gruppendynamiken liefert.
In Mecklenburg-Vorpommern bewegt sich laut Verfassungsschutzbericht für 2024 rund drei Viertel der erkannten Extremisten im rechten Spektrum. Das reicht von Neonazis über Reichsbürger/Selbstverwalter und Neue Rechte bis hin zu Kampfsportmilieus und Rockergruppen. Zudem gehört MV zu Spitzengruppe der Bundesländer, wo viele Rechtsextremisten ganz legal auf Waffenbesitzkarten (WBK) und somit u. a. Schusswaffen zurückgreifen können. „Rassisten, Faschisten und NS-Verherrlicher finden hier entlang der Ostseeküste MVs nicht nur Rückzugsräume, sondern auch Trainingsmöglichkeiten, um mit ideologischen Verbündeten das Schießen zu üben. Die Nordkreuz-Geschehnisse im Kontext des Schießplatzes Baltic Shooters bei Güstrow, die auch jüngst wieder beim NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages ein Thema waren, müssen uns eine Warnung sein.“, so Trepsdorf. Er begrüßt ausdrücklich die aktuellen Bestrebungen des Innenministeriums, rechtsextreme Akteure zu entwaffnen: „Diese tickenden Zeitbomben am rechten Rand müssen konsequent entwaffnet werden. Es geht um nichts weniger als die Verteidigung unserer demokratischen Grundordnung. Die Politik muss auch darauf hinwirken, etwa §5, Abs. 1, Nr. 2 des Waffengesetzes stärker in den Blick zu nehmen, denn wer Bestrebungen gegen die FDGO verfolgt oder unterstützt, so wie dies Kern rechtsextremer Ideologie ist, der darf keine Waffe in die Hände bekommen!“